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11 Dec
11Dec

Im Klimawandeldiskurs geht ein neues Zauberwort um: Klimaneutralität. 

Zahlreiche Produkte werden mit dem Sigel der Klimaneutralität beworben; es gibt klimaneutrale Kaffeebecker, klimaneutralen Brotaufstrich, klimaneutrale Bücher, usw. bis hin zum klimaneutralen Heizöl. 

Universitäten, Institutionen, Städte, Kommunen und Staaten streben die Klimaneutralität an. Doch was hat es damit auf sich? 

Klimaneutralität bedeutet im Allgemeinen, ein Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffemissionen und der Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre in Kohlenstoffsenken herzustellen. Genauer ist diese jedoch eine Form von „Treibhausgasneutralität“, sofern man andere Treibhausgas in CO2-Äquivalenten berücksichtigt. 

Echte Klimaneutralität bedeutet, dass sich das Klima durch einen Eingriff nicht verändert. Doch im Grunde verändert, wenn wir kleinlich sind, auch jede Windkraftanlage das Mikroklima vor Ort. Reine Klimaneutralität gibt es daher weder im Städtebau noch in der Produktherstellung. 


Das Klimaschutzgesetz verpflichtet die Bundesregierung, das Ziel einer Treibhausgasneutralität bis 2045 umzusetzen. (Was liegt also näher, als sich bis dahin noch Flüssiggas aus dem Katar zu sichern? Für 15 Jahre. „"15 Jahre ist super", so wird Wirtschaftsminister Robert Habeck zitiert). Die Zielvorgaben der Bundesregierung werden von einem Expertenrat überprüft, so dass die Regierung ggf. nachjustieren kann, um das Ziel zu erreichen. 

Um das Ziel einer Treibhausgasneutralität zu erreichen, sollen natürliche Kohlenstoffsenken (Wälder, Moore,..) den emittierten Kohlenstoff binden, so dass ab dem Jahr 2050 mehr Treibhausgase gebunden werden als emittiert. 

Doch es bleiben Unwägbarkeiten: Ein Baum, der heute gepflanzt wird, braucht viele Jahre des gesunden Wachstums, bis er ein Maximum an Kohlenstoff speichern kann. Unklar ist, welche Waldstruktur unter den klimawandelbedingten verstärkten Extremereignissen sich langfristig etablieren kann, um die notwendigen Kohlenstoffmengen zu speichern. 

Wichtiger ist aber ein anderer Aspekt, der in der Debatte um Klimaneutralität praktisch überhaupt nicht berücksichtigt wird; die Verweildauer von Kohlendioxid in der Atmosphäre von bis zu 200 Jahren. Durch verminderte Emissionen wird daher lediglich der jährliche neu hinzukommende Anteil an Treibhausgasen in der Atmosphäre reduziert. Der Kohlendioxidanteil erhöht sich weiterhin, d.h. aber auch, dass Kompensationsmaßnahmen wie beispielsweise Baumpflanzungen für die Treibhausgasneutralität, diese Speicherwirkung über 100-200 Jahre aufrechterhalten müssen. Diese zeitlich langfristige Bindung von Maßnahmen zur sog. Klimaneutralität ist jedoch in den gängigen Programmen nicht vorgesehen. 

Und: Es gibt keinerlei Gewähr dafür, dass die entsprechenden Kompensationsmaßnahmen über die gesamte Verweildauer der zusätzlichen Treibhausgase in der Atmosphäre aufrechterhalten werden können. Das ist aber die notwendige Bedingung dafür, dass die Maßnahmen wirklich zusätzliche Treibhausgasemissionen kompensieren. 

Ohne diese „Zeitverpflichtung“ umgeben sich jedoch viele Hochglanzbroschüren und Internetseiten, wo Klimaneutralität beworben wird, mit dem Hauch von Greenwashing…. 

Es steht außer Frage, dass wir weiterhin versuchen müssen, Emissionen zu reduzieren und zu kompensieren, wir dürfen dabei aber nicht naiv sein; denn das Gutgemeinte ist eben nicht deckungsgleich mit dem Guten. 

Kurz: wir brauchen keine zusätzlichen Emissionen, die dann irgendwie kompensiert werden, wir müssen insgesamt zu einem maßvolleren Lebensstil gelangen, der weniger Ressourcen verbraucht. Dazu ist es notwendig, das bloß zählende Denken in CO2-Bilanzen, um einen empathischen Umgang mit unserer Mitwelt zu erweitern. 

JR

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