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19 Jan
19Jan


Habt ihr irgendetwas, wirklich: IRGENDETWAS von der 15. Weltnaturschutzkonferenz mitbekommen, die virtuell stattfand? Sie fand im Herbst 2021 statt und soll im April 2022 in Kunming, einer südchinesischen Stadt,fortgesetzt werden. Während nach wie vor Inzidenzen, Impfpflicht und andere Schutzmaßnahmen für Menschen durch die Medien wabern, wird Mitweltschutz nur noch in Klimadebatte erwähnt wird und, wenn überhaupt, von der Klimakonferenz in Glasgow berichtet.
Biodiversitätsverlust war in China eines der diskutierten (Rand-)Themen. Es wurde von einer „existenziellen Bedrohung für unsere Gesellschaft, unsere Kultur, unseren Wohlstand und unseren Planeten“ gesprochen – zumindest ist also rein theoretisch und auf abstrakter Ebene Einsicht gegeben. Konkreter behandelt wurde der dringend erforderliche Artenschutz jedoch nicht.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach davon, dass die Renaturierung von Wäldern, Mooren und Auenin den Fokus der nächsten Bundesregierung rücken sollte. Naturnäher müssten die Wälder werden und Flüssen müsse mehr Raum gegeben werden, sagte sie vor dem virtuellen Beginn der UN-Artenschutzkonferenz, bei den Schutzgebieten könne Deutschland besser werden. Und doch werden unsere Flora und Fauna der Energiegewinnung, beispielsweise durch neue Windkraftanlagen, geopfert – auch und vor allem in der neuen Koalition. Der Professor für Biodiversität der Tiere an der Universität Hamburg und Wissenschaftlicher Leiter des Projekts „Evolutioneum“ am dort neu gegründeten Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB), Matthias Glaubrecht, drückt es drastisch aus:  Eine der bisher oft übersehenen Signaturen des Anthropozäns ist „biological annihilation“ – die Auslöschung des Lebens. Neben „deforestation“, der globalen Entwaldung, ist „defaunation“, die Entleerung der Tierwelt, kennzeichnend für die desolate Lage, in die wir Menschen unseren Planten und seine Bewohner, uns inklusive, brachten. Mehr als eine Million Arten an Tieren und Pflanzen, warnt der Weltbiodiversitätsrat IPBES, werden in den kommenden Jahrzehnten aussterben.

Prof. Glaubrecht nennt weitere schockierende Zahlen: Knapp 80 Prozent der Biomasse an Fluginsekten sind in den letzten Jahrzehnten ausgelöscht worden. Das setzte eine bis heute andauernde Kettenreaktion in Gang: Allein in Europa sind auch deshalb seit 1980 knapp ein Fünftel der Vögel verschwunden. Setzt die Kette beliebig fort, b is ihr bei uns Menschen ankommt.

Es ist vor allem der Verlust natürlicher Lebensräume an Land wie im Wasser, der das Artensterben bedingt. Regenwälder, Korallenriffe – auch Waldflächen, die landwirtschaftlichen Flächen weichen. Weltweit sind in den zurückliegenden 30 Jahren Wälder auf einer Fläche von der Größe der EU vernichtet worden. Die Erzeugung von Rohstoffen,, von Fleisch bis zu Soja und Palmöl, wurde hingegen gefördert. Wie viele Arten, teils noch unbekannt und / oder unerforscht, verschwanden mit der Waldfläche. Irreversibel. Und Schritt für Schritt löscht sich die Menschheit damit selbst aus. Wir sind als Spezies Grenzgänger geworden, halten uns nur noch schwankend auf der Linie zwischen Existenz und Auslöschung.

Prof. Glaubrecht bringt es auf den Punkt: Der Schutz der Biodiversität ist dann machbar, wenn wir akzeptieren, dass Ressourcen endlich sind - und die Natur mit ihrer Arten auf Konferenzen und in Koalitionen nicht länger verhandelbar ist. Ansonsten läuft die Zeit für die Erhaltung der Biodiversität ab. Die Kunming-Konferenz im April ist die vermutlich letzte Chance auf einen anhaltenden Waffenstillstand in unserem Krieg der Menschen gegen die Natur. 


MF









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