In den Supermarktregalen leuchten sie uns entgegen: kleine grüne Blätter, bunte Siegel, runde Aufkleber mit wohlklingenden Versprechen. „Bio“, „Fair“, „Regional“. Labels, die uns sagen wollen: Dieses Produkt ist gut – für dich, für die Umwelt, für die Welt. Und doch zeigt sich in der Realität: Viele dieser Zeichen bleiben blass, unklar oder schlicht unsichtbar.
Sie schaffen nicht das, was sie versprechen sollen: Sicherheit bei der Kaufentscheidung.Das EU-Bio-Siegel – das „Green Leaf“ – ist ein Beispiel dafür. Seit 2010 ziert es verpflichtend alle in der EU zertifizierten Bio-Produkte.
Die Idee dahinter ist bestechend: ein einheitliches, vertrauenswürdiges Erkennungszeichen für ökologische Qualität. Und doch kennen laut einer Erhebung von 2024 gerade einmal 56 Prozent der EU-Bürgerinnen und -Bürger das Label überhaupt. Nur 45 Prozent wissen, dass es die Einhaltung der EU-Bio-Richtlinien garantiert. Ein Siegel, das seine Botschaft so wenig vermittelt, verfehlt sein Ziel.Wer das EU-Bio-Label trägt, muss strenge, in allen Mitgliedsstaaten verbindliche Vorgaben erfüllen. Diese EU-Öko-Verordnung schreibt unter anderem vor, dass beim Pflanzenanbau keine chemisch-synthetischen Pestizide und keine leicht löslichen mineralischen Düngemittel verwendet werden dürfen. Gentechnisch veränderte Organismen (GVO) sind ebenso tabu wie der Einsatz von Bestrahlung zur Haltbarmachung.
Mindestens 95 Prozent der Zutaten eines verarbeiteten Lebensmittels müssen aus ökologischer Erzeugung stammen, und auch die Verarbeitung selbst folgt klaren Regeln, etwa zur Begrenzung von Zusatzstoffen. In der Tierhaltung sind artgerechte Haltungsformen, Zugang zu Freiflächen, ökologisches Futter sowie strenge Vorgaben zur Medikamentengabe vorgeschrieben – Antibiotika dürfen nur im Krankheitsfall eingesetzt werden, nicht zur Leistungssteigerung. Regelmäßige, unangekündigte Kontrollen durch unabhängige Prüfstellen stellen sicher, dass diese Standards eingehalten werden.Genau hier setzt eine Studie von Wissenschaftlerinnen der Universitäten Bonn, Newcastle und Corvinus an.
Die Frage: Lässt sich mit minimalen Designänderungen mehr Klarheit schaffen? Die Forschenden fügten dem stilisierten Blatt den Schriftzug „BIO“ bzw. „ECO“ hinzu – in einer Variante ergänzt um „EU-zertifiziert“. In sieben EU-Ländern bewerteten über 9 500 Testpersonen die Logos. Das Ergebnis ist eindeutig: Die modifizierten Varianten wurden als verständlicher, vertrauenswürdiger und hilfreicher empfunden. Das schlichte Wort „BIO“ erwies sich als Schlüssel – nicht ein bürokratischer Zusatz wie „EU-zertifiziert“.
Offenbar brauchen wir als Konsumierende keine Amtsfloskeln, sondern eindeutige Signale.Eine zweite Untersuchung in Deutschland mit 500 Teilnehmenden vertiefte die Erkenntnis: Mit dem zusätzlichen Schriftzug ordneten fast 90 Prozent das Logo korrekt Bioprodukten zu, beim Original waren es weniger als 70 Prozent. Das Vertrauen stieg, die Unsicherheit sank. Und auch wenn sich die Kaufabsicht nicht direkt erhöhte, wirkte die gesteigerte Klarheit indirekt – wer weniger zweifelt, greift eher zu.
Doch jenseits der Label-Debatte drängt sich eine grundlegendere Frage auf: Warum sollten wir überhaupt Bio-Produkte kaufen? Hier geht es nicht um ein moralisches Abzeichen im Einkaufskorb, sondern um die realen Auswirkungen unserer Konsumentscheidungen. Bio-Produkte stehen – bei allen Unterschieden zwischen Anbietern – für Anbaumethoden, die Böden schonen, Artenvielfalt bewahren, den Einsatz synthetischer Pestizide reduzieren und oft höhere Tierschutzstandards einhalten. Sie fördern geschlossene Nährstoffkreisläufe, mindern die Belastung von Gewässern und reduzieren langfristig die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen in der Landwirtschaft.
Auch gesundheitlich gibt es Argumente: Zwar ist der Nährstoffgehalt oft vergleichbar mit konventioneller Ware, doch Rückstände von Pestiziden sind bei Bio-Lebensmitteln deutlich seltener und in geringerer Menge nachweisbar. Wer Bio kauft, unterstützt zudem eine Wirtschaftsweise, die häufig kleineren, regional verwurzelten Betrieben zugutekommt – und damit auch sozialen Zusammenhalt im ländlichen Raum stärkt.Das alles bedeutet nicht, dass Bio automatisch perfekt ist. Auch Bio-Avocados aus Übersee haben einen ökologischen Fußabdruck.
Doch in der Summe gilt: Die Kaufentscheidung für Bio ist ein Schritt in eine Richtung, die weniger von kurzfristiger Gewinnmaximierung und mehr von langfristiger ökologischer Verantwortung geprägt ist.Gerade deshalb sind klare, unmissverständliche Labels wichtig. Sie helfen, diese Entscheidung bewusst zu treffen, statt sie im Dschungel der Siegel zu verlieren. Ein einfaches „BIO“ auf einem grünen Blatt kann dabei mehr bewegen als jede Hochglanzkampagne. Denn am Ende geht es nicht um Designtricks – es geht darum, uns als Konsumierende in die Lage zu versetzen, die Verantwortung für unseren Einkauf zu erkennen und zu übernehmen.
MF