Die Klimakrise ist im Jahr 2025 keine ferne Warnung mehr, sondern ein allgegenwärtiger Zustand. Sie zeigt sich in den brennenden Wäldern Kanadas, den überfluteten Küsten Südostasiens, in den schmelzenden Alpengletschern und den sich ausdehnenden Dürren Afrikas.
Die Naturkatastrophen sind keine Ausnahmeerscheinungen mehr, sondern die neue Normalität einer Erde, die sich jenseits ihrer ökologischen Belastungsgrenzen bewegt. Und doch bleibt die politische Reaktion auf diese Eskalation merkwürdig zögerlich – gefangen zwischen ambitionierten Bekenntnissen und ökonomischer Rücksichtnahme, zwischen Pathos und Pragmatismus.
Zehn Jahre nach dem Pariser Abkommen hat sich der globale Klimaschutz in eine widersprüchliche Realität verwandelt. Die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre ist so hoch wie nie zuvor, und kaum ein Land befindet sich auf einem Kurs, der mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar wäre. Zwar hat der Ausbau erneuerbarer Energien enorme Fortschritte gemacht – Solar- und Windkraft dominieren vielerorts den Energiemarkt, und grüne Technologien gelten längst als Wirtschaftsfaktor –, doch der fossile Energieverbrauch sinkt nur schleppend.
China, Indien und auch Teile des Westens setzen noch immer auf Kohle und Gas, während Entwicklungsländer die Klimafolgen ausbaden, die sie selbst kaum verursacht haben. Das internationale Klimaregime, das einst als Symbol einer neuen Ära globaler Kooperation galt, wirkt erschöpft. Die USA pendeln je nach innenpolitischer Lage zwischen Engagement und Rückzug, China präsentiert sich als grüner Technologieführer, investiert aber parallel in fossile Infrastruktur, und die Staaten des globalen Südens fordern zu Recht finanzielle und technologische Unterstützung, erhalten jedoch meist nur symbolische Zusagen. Das Prinzip der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“, das die Klimapolitik der Vereinten Nationen einst prägte, droht zu einer diplomatischen Floskel zu verkommen.
Vor diesem Hintergrund steht die Rede von Friedrich Merz auf dem brasilianischen Klimagipfel 2025 sinnbildlich für den Zustand westlicher Umweltpolitik. Seine Forderung nach einer „globalen Kraftanstrengung für den Klimaschutz“ klingt auf den ersten Blick wie ein Bekenntnis zu internationaler Verantwortung. Merz betonte Deutschlands Bereitschaft, sich stärker am Schutz der Tropenwälder zu beteiligen und sich an einem neuen Klimafonds für Länder wie Brasilien oder die Demokratische Republik Kongo zu engagieren. Doch hinter dieser Rhetorik steckt eine vertraute Logik: die Hoffnung, den Klimawandel mit technologischer Effizienz und wirtschaftlicher Innovation zu bezwingen, ohne die strukturellen Ursachen – fossile Abhängigkeit, Wachstumszwang, Konsumkultur – infrage zu stellen. Wenn Merz erklärt, „unsere Wirtschaft ist nicht das Problem, sondern der Schlüssel“, dann spricht daraus der Geist einer Epoche, die an die Selbstheilungskräfte des Marktes glaubt.
Die Rede vermeidet jede klare Position zu einem beschleunigten Ausstieg aus fossilen Energien oder zu den sozialen und kulturellen Veränderungen, die eine echte Transformation erfordern würde. Sie verspricht Verantwortung, ohne Machtverzicht zu denken. Damit steht Merz nicht allein, sondern exemplarisch für die westliche Klimarhetorik des Jahres 2025: Sie bekennt sich zum Ziel, ohne den Preis zu benennen.
Das Versagen des globalen Klimaschutzes ist freilich nicht nur ein politisches oder ökonomisches, sondern auch ein psychologisches und kulturelles Phänomen. Wir leben in einem Zustand kollektiver Dissonanz: Wir wissen, was getan werden müsste, und wir verfügen über die technologischen Mittel dazu – aber wir sind mental und institutionell nicht in der Lage, den notwendigen Wandel herbeizuführen. Katastrophenbilder lösen Betroffenheit aus, aber auch Abstumpfung. Regierungen denken in Wahlzyklen, nicht in Generationen. Und der Glaube an permanentes Wachstum bleibt der unsichtbare Konsens, der jede tiefere Transformation blockiert.
Vielleicht liegt gerade darin der blinde Fleck der gegenwärtigen Klimapolitik: Sie sucht den „Kampf gegen den Klimawandel“, als handle es sich um eine äußere Bedrohung, nicht um die Folge der eigenen Lebensweise. Doch die ökologische Krise ist kein Feind, der besiegt werden kann, sondern ein Spiegel, der uns zwingt, über das Verhältnis des Menschen zur Erde neu nachzudenken.
Was gebraucht wird, ist weniger eine „Kraftanstrengung“, wie Merz es formulierte, sondern eine kulturelle Wende – eine Ethik der Begrenzung, eine Ökonomie des Genug, eine Politik, die auf Reduktion statt auf Kompensation setzt.
Dazu gehört die konsequente Abschaffung fossiler Subventionen, die ernsthafte Diskussion postwachstumsorientierter Modelle, eine Klimafinanzierung, die als moralische Verpflichtung verstanden wird, und eine Neuverteilung der Verantwortung zwischen Nord und Süd. Doch all dies setzt voraus, dass Klimaschutz nicht länger als technisches Projekt, sondern als gesellschaftliches Umdenken begriffen wird – als Übergang von der Logik der Beherrschung zur Logik des Zusammenlebens.
Der Zustand des Klimaschutzes im Jahr 2025 ist daher zutiefst paradox: Noch nie war das Wissen größer, die Technologie ausgereifter, die Dringlichkeit klarer – und dennoch bleibt das Handeln hinter all dem zurück. Die Rede von Friedrich Merz markiert in diesem Kontext keinen Wendepunkt, sondern einen Spiegelpunkt: Sie zeigt, dass die politischen Eliten längst gelernt haben, die richtigen Worte zu finden, während die Taten auf sich warten lassen. Klimapolitik steht heute an einer Schwelle – zwischen Symbolik und Substanz, zwischen Anpassung und Transformation. Ob die Menschheit den Weg der wirklichen Veränderung wählt, wird weniger von technischer Effizienz abhängen als von ihrer Bereitschaft, sich selbst neu zu verstehen: nicht als Herrscherin über die Natur, sondern als Teil eines verletzlichen, gemeinsamen Lebensraums.
MF