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21 Dec
21Dec

Ein umweltbewusstes Leben ist in einem Extremfall ein asketisches mit fortwährender Entsagung und im anderen ein pharisäerhaftes, das sich ökologisch dünkt aber in der Lebensbilanz einen überdurchschnittlich großen ökologischen Fußabdruck hinterlässt. 

Die Karikatur hierfür bietet die Latte-Macchiato-Bourgeoisie; der gebildete, wohlhabende Großstädter, der im SUV aus dem stattlichen Einfamilienhaus im Speckgürtel einer Großstadt kommend den Biomarkt anfährt. Schnell die Bio-Flug-Mango aus Ghana einpacken und wissen, dass man auf der guten Seite steht. Mit diesem Wissen steht auch dem Sommerurlaub als Ökotourist in die Nationalparks Costa Ricas nichts im Wege bzw. der Flugbahn. 

Der Asket hingegen, anspruchslos jenseits der Grundbedürfnisse, scheint glücklich, da ihm nichts fehlt. Jedoch weit gefehlt! Wer sein Leben soweit einschränkt, dass er in maximaler Resilienz sämtliche Äußerlichkeiten an sich abprallen lässt, kann nicht mehr priorisieren, wenn nun alles gleich gültig in Gleichgültigkeit versinkt. Es fehlt ein Maßstab, wenn es oberhalb und unterhalb des Nullpunktes keine Skalenwerte mehr gibt. Damit kann eine solche Anspruchs-Askese auch nicht beglücken, wenn das Verzichtsethos ein Annehmen von Glücksmomenten verhindert. 

Maß und Mitte, wo bewegt ihr euch zwischen den extremen Polen? Wo ist eure Stellung im Kosmos? Gelingt ein Maßhalten ohne Deprivationserfahrung, gelingt ein Maßhalten in Glück ohne mittelmäßiger Mediokrität? Gleichsam als Ergänzung einer Pflichtethik kantianischer Provenienz, vgl.  

https://www.blognatur.com/majos-blog/du-kannst-nicht-wollen-was-du-willst 


lässt sich eine Mitwelttugendethik entwickeln, welche die Schadnebenfolgen zeitigende Mensch-Naturentzweiung durch intensive, regelmäßig Naturbegegnung (im stetigen Einüben, was dem Wortsinn nach „Askese“ ist) überbrücken hilft (vgl.

https://www.blognatur.com/majos-blog/extinction-of-experience-der-verlust-an-naturerfahrung)    

 und damit die Grundlage schafft, Demut einzuüben, Selbstbewusstsein jenseits von Äußerlichkeiten zu stärken und dadurch das Engagement für die (zunächst) lokale Mitwelt einzutreten und Verantwortung zu übernehmen, auslöst. Denn dass eine global zunehmend urbane Bevölkerung die affektive und emotionale Bindung zu unserer Mitwelt verloren hat (grundlegend dafür war schon das Aufkommen der modernen Technik/Naturwissenschaft „Wissen ist Macht“), ist eine wesentliche Ursache für die ökologische Krise.  

Daher bleiben vermeintlich holistische Konzepte der Wissenschaft, die Mensch und Umwelt in Beziehung setzen, wie Planetary Health, Global Health, One Health fragmentarisch mit überschaubaren Aussichten, Weltwendung in der ökologischen Krise einzuleiten. 

Neben einer Pflichtethik, die sich auch in Grenzwerten technisch niederschlagen kann, gilt es daher einen lebensweltlichen Bezug zu unserer Mitwelt zu stärken oder überhaupt wiederaufzubauen. 

Diese bislang nur fragmentarischen Konturen einer Mitwelttugendethik gilt es weiter reflexiv zu durchdringen und zu leben.

JR

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